Gelassener im Umgang mit Kollegen - Barrierefreies Sprechen

 

 

Jeder Mensch hat zu sich und seinem Arbeitsplatz eine bestimmte Vorstellung. Wenn da nicht auch die Kollegen wären! Wenn Sie im Umgang mit den Mitarbeitern und Kollegen in eine Kommunikationsblockade geraten, helfen selbst die besten Tipps nicht mehr. Die Fronten sind verhärtet. Die Gesprächspartner fallen in ein Verhaltensmuster, das ihrem Typ entspricht. Vielleicht haben Sie bei sich oder dem Gesprächspartner ein archetypisches Verhalten festgestellt, das sich bei bestimmten Themen oder Konflikten immer wiederholt. Mancher Konflikt kann mit den Persönlichkeitsmodellen nach Riemann/Thomann deeskaliert werden. Nur wie?

 

KONFLIKTPOTENZIAL – ODER WELCHE TENDENZ PASST NICHT ZUSAMMEN

 

Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten in einem Unternehmen mit mehreren Personen in einem Team zusammen. Konflikte treten je nach Persönlichkeitstyp in unterschiedlichen Situationen auf. Ihre Kollegin Ursula Z. übernimmt für Anton R. die Urlaubsvertretung in einem Projekt. Sie hat seine Aufgaben nach den für sie besten Möglichkeiten übernommen. Nach der Rückkehr aus dem Urlaub kommt es zu einer Auseinandersetzung, bei der Anton R. den schweren Vorwurf äußert, Ursula Z. habe die Vertretung nicht nach seinem Qualitätsanspruch erfüllt. Ursula Z. nimmt alle Punkte geduldig auf und versucht, Anton R. zu beschwichtigen. Indem sie seine Argumente dahingehend herunterspielt, dass „ja nichts passiert sei“ und sie „seinen Anspruch überzogen sieht“. Beide Gesprächspartner befinden sich in einer ungeklärten Phase und tragen den Konflikt innerlich mit sich herum.

 

KLÄRUNGSPHASE MIT DER PERSÖNLICHKEITSSTRUKTUR

Nach Fritz Riemann wird jeder Mensch einem der vier verschiedenen Persönlichkeitsstrukturen Nähe - Distanz - Dauer - Wechsel zugeordnet: Nähemenschen, die eher harmonisierend (personenorientiert) handeln, Distanzmenschen, die eher rationell (qualitätsorientiert) denken, Dauermenschen, die eher praktisch (ergebnisorientiert) veranlagt sind, und Wechselmenschen, die als eher kreativ (ideenorientiert) gelten. Nach dem Verhalten von Anton R. zu schließen, gehört er zu den Menschen im Distanzquadranten, die ihre Qualitätsansprüche auf ihre Umwelt projizieren. Ursula Z. weicht dem Gespräch eher aus und versucht, auf den Vorwurf emotional einzugehen. Somit kann Ursula Z. dem Wechselquadranten zugeordnet werden.

 

GANZ NORMALES VERHALTEN

Wir neigen gerne dazu, unsere Mitmenschen nach ihrem Verhalten zu beurteilen. Zum Glück muss nicht gleich jedes Verhalten als krankhaft gewertet werden. Sondern es handelt um normale Persönlichkeitsstrukturen, über die wir alle verfügen. So hat C. Thomann die Strukturen aus der Pathologie herausgenommen und sie in den Kommunikationsalltag übertragen. Jeder Mensch trägt einen der aufgeführten Tendenzen in sich. Die eine oder andere stärker ausgeprägt, und manche nur in bestimmten Situationen. Wie äußern sich die Tendenzen in der Arbeitswelt?

 

DIE VIER TENDENZEN IN DER ARBEITSWELT

Im folgenden Kapitel zeige ich Ihnen die einzelnen Erkennungsmerkmale der einzelnen Tendenzen auf, die Sie speziell für einen Konfliktfall anwenden können. Da nicht jeder Mensch die gleiche ausgeprägte Struktur hat, variiert diese von Typ zu Typ unterschiedlich. Dies ist ein kurzer Überblick über die unterschiedlichen Typen.

DISTANZ-TENDENZ

 

Arbeitsklima

Ein harmonisches Klima wäre nett, muss aber nicht sein. Distanz-Menschen ziehen sich bei der Arbeit sowieso am liebsten zurück und arbeiten gerne für sich alleine.

Benötigt meist einen Platz abseits vom Trubel, wenn möglich einen Einzelplatz oder Einzelzimmer.

Arbeitsplatz

Der Arbeitsplatz ist sein Reich. Dort regiert nur der Distanz-Mensch. Meist ist der gesamte Tisch/Platz belegt. In der Regel ist ein separater Besprechungsplatz vorhanden.

Die Ordnung an seinem Platz ist individuell angelegt: Dauer-Tendenz= Systeme Hochordnung

Wechsel-Tendenz = chaotische Ordnung. Er weiß immer, wo er was findet.

Sozialverhalten

Am liebsten arbeitet er allein. Bei nötiger Zusammenarbeit verteilt er die Aufgaben so, dass jeder wieder für sich alleine arbeitet und dafür die Verantwortung trägt. Wenn er in die Situation kommt, in der er andere um Hilfe fragen muss (darauf angewiesen ist), versucht er erst die Situation alleine zu analysieren und schaut, ob es etwas Ähnliches schon gab und Erfahrungen darüber vorhanden sind.

Teammeeting

Er kann gut Nein sagen und sagt unwichtige Meetings ab. Er empfindet Sitzungen und Meetings als unnötiges Geschwätz.

Arbeitsweise

Wenn alles Zuviel wird, verweigert er sich und unternimmt nichts mehr. Er lässt alles auf sich zukommen.

Arbeitsgestaltung

Er hat gerne individuelle Arbeitszeiten und arbeitet auch samstags und nachts. Damit er Ruhe hat.

Psychische Belastung

Bei zwischenmenschlichem Stress und psychischer Belastung schottet er sich äußerlich ab. Dadurch macht er sich innerlich frei.

 

WECHSEL-TENDENZ

 

Arbeitsklima

Damit er kreativ sein und Routinearbeiten erledigen kann, benötigt er ein problemlosheiteres Klima.

Arbeitsplatz

Er ist eher chaotisch und unordentlich. Meist mit Postern und provokanten Sprüchen versehen „bloß nicht spießig“.

Sozialverhalten

Durch den Einsatz seines Charmes bagatellisiert er vergessene Termine und bietet tolle fantastische Geschichten zur Entschuldigung an. Spontane Entscheidungen und Entschlüsse mag der Wechsel-Mensch am liebsten. Auch von anderen. Rat oder Hilfe von anderen braucht er nicht, da er selbst nur so vor Ideen sprüht. Etwas anreißen fällt ihm leicht, es bis zum Ende durchzustehen eher schwer.

Teammeetings

Da er eine chaotische Zeitplanung hat (mehrere unvollständige Terminkalender) vergisst er den einen oder anderen Abgabetermin. Nachhalten und eine Endkontrolle überlässt er lieber anderen.

Arbeitsweise

Arbeitsaufträge gibt er lieber mündlich oder per Telefon an, da ihm das Schreiben lästig ist.

Er delegiert gerne (ohne formale Berechtigung) unangenehme Arbeiten mit Charme, bevorzugt an Nähe-Menschen, weiter.

Arbeitsgestaltung

Für Wechsel-Tendenz-Menschen ist die Zeitgestaltung wichtig. Er kann auf den richtigen Zeitpunkt abwarten, von wo aus dann alles leicht und von selber richtig geschieht. Diese Pausen werden gerne als Faulheit ausgelegt. Termine und Fristen werden dadurch selten eingehalten. Trotz mehrmaligem Versprechen. Er hat aktive und passive Arbeitsunterbrechung genauso gerne wie der Nähe-Mensch.

Psychische Belastung

Bei Stress und Belastung kann er richtig wegschaffen und leisten.

 

DAUER-TENDENZ

 

Arbeitsklima

Ein gutes Arbeitsklima ist für ihn logisch aufgebaut: Hierarchie, Kompetenzabgrenzungen, Verantwortungsbereiche, Zuständigkeiten und ihre Stellvertretung, dazu transparente Entscheidungsabläufe und klare Notfall- und Konfliktregeln. Er ist das Zeitmanagement in Person.

Arbeitsplatz

Ordnung muss sein und ist „ die halbe Miete“. Dauer-Menschen können gut aufräumen und haben ein ausgeklügeltes und vollständiges Ablagesystem.

Arbeitsweise

Seine Welt sind die Listen und Planungen. Hierfür nutzt er auch moderne Kommunikationsmittel. Am liebsten hat er alles schriftlich.

Arbeitsgestaltung

Gegenseitige Kontrolle ist für ihn selbstverständlich. Er belehrt auch gerne andere, um ihnen, wie er meint, zu helfen.

Psychische Belastung

Bei Stress und Schwierigkeiten analysiert er die Situation und sucht nach dem Verursacher, Verantwortlichen und Konsequenzen.

 

NÄHE-TENDENZ

 

Arbeitsklima

Im beruflichen Kontext ist ein gutes Klima sehr wichtig (harmoniebedürftig). Sie möchte es sich mit niemandem verderben.

Arbeitsplatz

Am Arbeitsplatz steht meistens ein freier Stuhl, zudem werden Kaffee oder Kleinigkeiten angeboten. Dadurch sorgt sie bei Geschäftsgesprächen für eine Atmosphäre, in der es den Menschen angenehmer ist und sie sich öffnen sollen.

Sozialverhalten

Sie versucht zuerst, persönlichen Kontakt zum anderen aufzubauen: Kontakt vor Kooperation.

Teamsitzungen und Teamentscheidungen sind ihr wichtig. Dabei hat sie keine Scheu, andere um Rat zu fragen.

Teammeeting

Meist hat er keine relevanten Punkte. Er reagiert gefühlsmäßig uns situativ. Sie weiß oft gar nicht, was sie will. Im Vordergrund steht mehr die Vermittlung zwischen den Interessen und Standpunkten der anderen.

Arbeitsweise

Nähe-Menschen lassen sich gerne bei der Arbeit ablenken, und suchen den Kontakt zu andern (zum Beispiel auf dem Gang)

Arbeitsgestaltung

Für sie ist Effektivität wichtig, im Sinne von „zum Wohle der Allgemeinheit“.

Psychische Belastung

Bei der zwischenmenschlichem Stress und psychischen Belastungen kann sie weniger leisten. Dadurch wird sie blockiert.

 

KLÄRUNGSPHASE MIT DER PERSÖNLICHKEITSSTRUKTUR

Nur, wie weiß ich denn, mit was für einem Typen Mensch ich es gerade zu tun habe, und welchem Charaktertyp entspreche ich selbst überhaupt? Nach Fritz Riemanns Vorstellung verfügt jeder Mensch analog der Kräfte des Universums über vier Grundängste. So wie jede Kraft eine Gegenkraft erzeugt, löst jede Grundstrebung eine damit verbundene Grundangst vor der jeweiligen Gegenstrebung aus. Im Klartext gesprochen sind nach Fritz Riemann nach pathologischen (krankhaft) Gesichtspunkten Grundängste „neurotische Persönlichkeitsstrukturen“. Muss gleich jeder Mensch als krankhaft eingestuft werden, weil er nicht meinem Ideal entspricht? Mit Sicherheit nicht!

 

Arbeitsverhalten und Sozialverhalten

Ein Tag in einem Großraumbüro ist wie ein Blick durch ein Kaleidoskop. Bei dem sich durch Drehen, wechselnde geometrische Bilder und Muster ergeben. Ähnlich wie im Inneren des Kaleidoskops, ist es in den Menschen. Nur das die Facetten nach außen strahlen. Die Tendenzen. Wie sind das Arbeitsverhalten und Sozialverhalten in der Arbeit? Drehen wir das innere Kaleidoskop und werfen einen Blick das soziale Verhalten der einzelnen Tendenzen.

Nähe-Mitarbeiter

Die Abhängigkeitssituation ist für Nähe-Menschen wichtig. Sie haben dadurch das Gefühl gebraucht, zu werden. Das Unterordnen stellt kein Problem dar, da sie selbst keinen eigenen Willen haben. Eine Identifikation mit dem Chef, Unternehmen oder deren Zielen machen sie gerne. Beim Entgegennehmen von Weisungen und Aufträgen fühlen sie sich wahrgenommen und bestätigt.

Unzufriedenheit mit dem Chef oder der Führung werden sie nie direkt mitteilen. Selbst durch offene Fragen wird es schwierig, die Wahrheit aus ihnen herauszubekommen. Sich aber jemanden mitzuteilen oder zu öffnen, scheint unmöglich. Dadurch kann kein klärendes Gespräch stattfinden. Zudem haben sie Angst vor Konsequenzen, Einschüchterung und Beeinträchtigung der Beziehung. Lieber schlucken sie alles in sich hinein und tragen den Konflikt mit sich im Inneren aus. Bis es eines Tages zum Ausbruch kommt, in dem sich der Aggressionskropf löst und unvorbereitet den Gesprächspartner mit aller angestauter Wut und Zorn erwischt. Wenn sie sich integriert, gemocht und verstanden fühlen, können sie das volle Leistungspotenzial entfalten.

 

Distanz-Mitarbeiter

Distanz-Menschen sind gern unabhängig. Sie ordnen sich ungern in einer Hierarchie ein. Eher fügen sie sich unauffällig. Sie identifizieren sich mit den Zielen und Inhalten trotzdem, wenn diese für sie akzeptabel sind. Für den Distanz-Menschen ist es eher lästig, wenn sie Arbeit zugewiesen bekommen. Die erste Überlegung ist: „Muss ich das tun, steht das in meiner Tätigkeitsbeschreibung, bin ich dafür zuständig?“

Sie wimmeln gerne Aufträge ab, die lästig und nicht sinnvoll erscheinen. Müssen sie jedoch einen Auftrag annehmen, stellen sie Bedingungen und kritisieren immer an etwas herum. So verschaffen sie sich einen gewissen Respekt der anderen und wollen so die Würde vor sich selbst bewahren. Sind sie im normalen Mitarbeiterstatus, kapitulieren sie aber vor der Einsicht der Abhängigkeit. Dabei unterstützt sie ihr Ehrgeiz. Unzufriedenheiten mit dem Chef oder der Führung werden sofort verbal oder nonverbal angezeigt. In manchen Fällen erfolgt auch die Flucht in die Emigration des Zynismus, Sarkasmus oder der Resignation. Tritt der erste Fall ein, gelten sie als schwierige Mitarbeiter (Besprechungsterrorist) oder stilisiert sich zur Stachelmimose. Für eine ungeschulte Führungskraft ist es in der Tat schwierig, in die Tiefen der Distanz-Menschen hineinzublicken. Dort schlummert eine farbige Palette an Gefühlen und sensibler Wahrnehmungen. Einen Einblick oder eine Ahnung davon zu bekommen, kann die Führungskraft nur dann, wenn sie selbst auf ihre Distanz-Seite blickt, ober selbst über ein Distanz-Streben verfügt.

In einem offenen und vertrauten Klima, ohne Klammern, und wenn die kritische Art akzeptiert wird, nämlich so wie sie gedacht ist, als konstruktiver Beitrag, können sie sich gut integrieren und bieten im Teamverband eine Topleistung.

 

Dauer-Mitarbeiter

Dauer-Menschen geben sich gerne in eine Abhängigkeit und finden dies eine Selbstverständlichkeit. Weisungen werden nach dem Hierarchieprinzip eingeordnet. Aufträge und Weisungen von „Oben“ nehmen sie gerne an und beschäftigen sich damit. Sie überlegen sehr sachlich und gehen den Auftrag eher kritisch an, um genau zu verstehen, welcher Zusammenhang, welchen Sinn und welche Größe er hat. Zuverlässig erfüllen sie die gestellte Aufgabe. Prompt und termingerecht. Mit dem Unternehmen identifizieren sich total. Unzufriedene Dauer-Menschen sammeln erst mal so viele Beweise und Belege von Vorkommnissen und Fehlern, damit sie eine Objektive begründete Argumentation haben. Sie überlegen und warten ab, ob es sich dabei um Wiederholungen handelt oder um „Ausrutscher“. Bei letzterem Legen sie die Sache auf Eis, aber nicht in den Abfalleimer. Also kein Freispruch vom Verdacht. Bedenken werden in der Regel an Vorgesetzte oder höheren Vorgesetzten schriftlich mitgeteilt. Damit sie etwas schwarz auf weiß zur Hand haben. Damit richten sie in manchen Situationen einen schlimmen Schaden an, ohne es zu merken. Im ungünstigsten Fall sägen sie sogar am Stuhl vom Chef. Damit es nicht so weit kommt und sie nicht als Spießer, Bremser oder Angsthasen dastehen, ist es wichtig, ihre genaue und vorsichtige Art zu verstehen. Dadurch tragen sie zu einem guten Klima bei und leisten Hervorragendes.

 

Wechsel-Mitarbeiter

Mitarbeiter mit einer Wechsel-Tendenz sehen darüber hinweg, dass sie in einer abhängigen und untergeordneten Position sind. Auf ausgespielte Macht reagieren sie sehr empfindlich, denn dadurch wird ihnen der Kern ihrer Position in aller Deutlichkeit vor Augen geführt. Übertragene Arbeiten oder Aufträge sind für sie lästig. Sie formulieren sie gerne zu ihren Gunsten um, sodass ihr Eigenanteil darin vorkommt. Unzufriedenheit mit einer Situation wird sofort, ob sie wollen oder nicht, allen erzählt und mitgeteilt. Sie müssen sich freisprechen; dramatisieren ihre Kritik; ziehen sie gar ins Lächerliche. Dabei geht es ihnen nur, um Dampf abzulassen (Auskotzen). Sie wollen damit weder intrigieren oder eine tatsächliche Veränderung. Die Führungskraft hat es auch hier schwer und braucht viel Interesse, um den wahren Kern des Themas im empfindlichen Innenleben der Wechsel-Mitarbeiter zu finden. Ein ernsthaftes Gespräch hilft hier weiter. Wenn sie sich gesehen und gehört fühlen, ihre Kreativität und ihre Beiträge gewürdigt werden, leisten sie Enormes.

Viele Grüße

 

Werner Gasser-Grape

 

 

 

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